Zur Organisation von Religionsgemeinschaften in Österreich

Auf rechtlicher Ebene können in Österreich drei verschiedene Gruppen von Religionsgemeinschaften unterschieden werden:

  • Religionsgemeinschaften mit privatrechtlicher Rechtspersönlichkeit auf Basis des allgemeinen Vereinsgesetzes:
    Religionsgemeinschaften können wie Sport- oder Kulturvereine private Vereine werden. Dabei kann es sich entweder um gemeinnützige Vereine handeln, die mindestens zwei Mitglieder und gemeinnützige Absichten benötigen, aber vom Staat nicht als religiös angesehen werden, oder um einen Verein mit teilweise religiösen Funktionen.

  • Staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften:
    Staatlich registrierte Gemeinschaften erlangen Rechtspersönlichkeit nach Privatrecht. Sie können sich als solche legitimieren, indem sie das Erfordernis von mindestens 300 in Österreich lebenden Anhängern nachweisen, die bei keiner anderen Gemeinschaft oder anerkannten Kirche registriert sind. Außerdem sind sie gesetzlich verpflichtet, ihre Statuten offenzulegen, einschließlich des Namens der Gemeinschaft, die einem bestimmten Lehrethos folgen muss. Der Name und die Lehre dürfen sich nicht mit anderen Religionsgemeinschaften überschneiden.

  • Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften:
    Das Gesetz über die rechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften (1874) fasst die Voraussetzungen zusammen, unter denen Religionsgemeinschaften eine rechtliche Anerkennung durch den Staat erlangen können. Erstens müssen die Gemeinschaften eine Mehrheit von natürlichen Personen, eine religiöse Lehre, Gottesdienst und eine Satzung nachweisen, wobei letztere keine rechtswidrigen oder moralisch anstößigen Statuten enthalten darf. Weitere Regelungen sind im Gesetz über die Rechtsstellung der Bekenntnisgemeinschaften (BekGG, 1998) dokumentiert. Die konfessionelle Gemeinschaft muss ihr ununterbrochenes Bestehen für die letzten 20 Jahre, davon mindestens zehn Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft, die Rechtspersönlichkeit erlangt, nachweisen. Die Mitglieder der Gemeinschaft müssen mindestens zwei Promille der österreichischen Bevölkerung ausmachen (vgl. aktuelle Zahlen der Statistik Austria). Die Gemeinschaft muss dem Staat und der Gesellschaft gegenüber positiv eingestellt sein, und es darf kein rechtswidriges Verfahren mit anerkannten Kirchen sowie anderen Religionsgemeinschaften geben. Die Einnahmen und Gelder der Gemeinschaft dürfen nur für religiöse oder karitative Zwecke verwendet werden. Der Artikel 15 der österreichischen Verfassung garantiert jeder Gemeinschaft die folgenden Rechte:  „Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht auf gemeinsame öffentliche Religionsausübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig und behält den Besitz und die Nutznießung an ihren dem Gottesdienst, der Unterweisung und der Wohlfahrt gewidmeten Einrichtungen, Stiftungen und Fonds, ist aber wie jede Gesellschaft den allgemeinen Gesetzen des Staates unterworfen."

    Die Folgen der Anerkennung sind:
    • Namensschutz
      Das bedeutet, dass andere Religionsgemeinschaften nicht den gleichen Namen beanspruchen dürfen.
    • Recht auf Religionsunterricht
      Es gibt ein Recht darauf, Religionsunterricht an staatlichen Schulen einzurichten. Ein eigenständiges Curriculum kann selbständig entworfen werden, das nicht vom Staat approbiert werden muss. Die Kosten für die Lehrer*innen und Lehrmaterialien werden vom Staat getragen.
    • Recht auf organisierte Seelsorge
      Des Weiteren kann eine organisierte Seelsorge an staatlichen und öffentlichen Institutionen (Spitälern, Bundesheer, Gefängnis) eingerichtet werden.
    • Recht auf Selbständigkeit und Schutz vor Verstaatlichung
      Nicht zuletzt garantiert der Staat den anerkannten Religionsgemeinschaften die selbständige Ordnung und Verwaltung der inneren Angelegenheiten sowie den Schutz vor Verstaatlichung der Institutionen und Stiftungen.

  • Sechs Religionsgemeinschaften unterhalten darüber hinaus Sondergesetze mit dem Staat, die detaillierte Bestimmungen ihrer Zugehörigkeit dokumentieren:

    Das Konkordat von 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich.
    Das Bundesgesetz von 1961 über die äußeren Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche in Österreich.
    Das Bundesgesetz von 1967 über die äußeren Rechtsverhältnisse der Griechisch-Orientalischen Kirche in Österreich, geändert 2011.
    Das Bundesgesetz von 2003 über die äußeren Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich.
    Das Bundesgesetz von 1890 über die äußeren Rechtsverhältnisse der Israelitischen Religionsgesellschaft, geändert 2012.
    Das Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse der islamischen Religionsgesellschaften von 1912, erneuert 2015.

Bei der Erstellung der Website und der Analyse wurde vornehmlich nach der Einbindung der gesetzlich anerkannten Kirchen Religionsgemeinschaften und der staatlich eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften gefragt. Diese beiden Gruppen umfassen im Österreich mit Stand vom 10.10.2022 folgende Religionsgemeinschaften:

  • Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften (in alphabetischer Reihenfolge):
    • Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (ALEVI)
    • Altkatholische Kirche Österreichs
    • Armenisch-apostolische Kirche in Österreich
    • Evangelische Kirche A. u. H.B. (Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses)
    • Evangelisch-methodistische Kirche in Österreich (EmK)
    • Freikirchen in Österreich
    • Israelitische Religionsgesellschaft
    • Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ)
    • Jehovas Zeugen in Österreich
    • Katholische Kirche
    • Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) in Österreich
    • Koptisch-orthodoxe Kirche in Österreich
    • Neuapostolische Kirche in Österreich
    • Orthodoxe (= griechisch-orientalische) Kirche in Österreich
    • Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft
    • Syrisch-orthodoxe Kirche in Österreich

      Quelle: www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/kultusamt/kirchen-und-religionsgesellschaften.html (Abrufdatum 10.10.2022)
  • Staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften (in alphabetischer Reihenfolge):
    • Alt-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (AAGÖ)
    • BAHÁ‘Í – Religionsgemeinschaft Österreich (Bahai)
    • Die Christengemeinschaft – Bewegung für religiöse Erneuerung in Österreich (Christengemeinschaft)
    • Frei-Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (FAGÖ)
    • Hinduistische Religionsgesellschaft in Österreich (HRÖ)
    • Islamische-Schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (Schia)
    • Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Österreich (Adventisten)
    • Pfingstkirche Gemeinde Gottes in Österreich (Pfk Gem.Gottes iÖ)
    • Vereinigte Pfingstkirche Österreichs (VPKÖ)
    • Vereinigungskirche in Österreich
    • Sikh Glaubensgemeinschaft in Österreich

      Quelle: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/kultusamt/religiose-bekenntnisgemeinschaften.html (Abrufdatum: 10.10.2022)

Wolfram Reiss